
Arbeitsunfälle vermeiden
Was war Ihre erste Reaktion auf die Situation, die Sie auf dem Beitragsbild sehen?
So wie die eines Kommentators in einem anderem Beitrag mit diesem Bild? “… so ein Verhalten muss disziplinarische Konsequenzen haben, was aber oft nicht gemacht wird, …”
Zugegeben, so reagieren aus meiner Erfahrung die meisten Menschen. Aber wenn Sie schon länger auf dieser Webseite unterwegs sind, wissen Sie, dass es noch eine zweite Seite der Medaille gibt.
Kennen Sie den Dienst Google-Alert? Sie haben hier die Möglichkeit, täglich E‑Mail-Benachrichtigungen zu erhalten, wenn in der Google-Suche neue Ergebnisse zu einem Thema erscheinen.
Solch einen Alert habe ich mir, neben anderen, für den Begriff “Arbeitsunfall” eingerichtet. So erfahre ich täglich, was im deutschsprachigen Raum so alles passiert. Und manchmal erhält man auch Informationen, warum solche Unfälle passieren.
Ich kann Ihnen sagen, dass es einem dabei angst und bange werden kann. Nahezu täglich wird über mindestens einen tödlichen Arbeitsunfall berichtet; neben den Arbeitsunfällen mit schweren Verletzungen. Nun, wenn man bedenkt, dass es im Jahr 2018 insgesamt 420 tödliche Arbeitsunfälle in Deutschland — ohne die Wegeunfälle — gegeben hat, passiert statistisch gesehen ein tödlicher Unfall pro Tag. Immer ein Unfall zu viel, wie ich meine.
Denn die Mehrzahl der Arbeitsunfälle könnte verhindert werden.
Ein Arbeitsunfall am 6. Februar war jetzt der Anlass, mal einen Fachbeitrag über das Thema “Umgang mit Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften und Prozessstandards” zu schreiben — und zwar aus der Sicht eines Human-Factor-Experten.
Denn aus der eigenen Erfahrung weiß ich, dass jeder Mitarbeiter, der gegen Sicherheitsvorschriften verstößt, ja irgend einen Grund hat. Und diese Beweggründe liegen nicht nur bei dem Mitarbeiter selbst, sondern haben oft ihre Ursachen in der Ablauf- und Aufbauorganisation.
Und darum geht es in diesem Beitrag:
Warum verstoßen Mitarbeiter bei ihrer Arbeit gegen Sicherheitsvorschriften bzw. gegen Regeln und bringen sich und andere unnötig in tödliche Gefahr?
Und warum halten Mitarbeiter die von der Arbeitsplanung vorgegebenen Prozessstandards nicht ein und verursachen dadurch in vielen Fällen unnötige Nacharbeits- und Ausschusskosten?
Und schließlich: was können Führungskräfte tun, damit Mitarbeiter nicht gegen Sicherheitsvorschriften und Prozessstandards verstoßen (müssen)?
Mit welche Arten von Regelverstößen müssen Sie rechnen?
Was können Sie beitragen, um Arbeitsunfälle durch Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften zu vermeiden?
Ein Hinweis noch, der Form halber:
Böswillige Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften werden in diesem Fachbeitrag nicht behandelt. Der Umgang mit Sabotage ist ein eigenes Thema.
In der Fehlerforschung bei Hochzuverlässigkeitsorganisationen hat man Regelverstöße in verschiedene Kategorien eingeteilt. Diese sollte jeder kennen, der sich mit dem Thema “Arbeitsunfälle vermeiden” beschäftigt:
Unabsichtlicher Regelverstoß:
Charakteristik:
Der Regelverstoß war dem betroffenen Mitarbeiter nicht bewusst.
Mögliche Ursache:
Eine Schulung, Training, Einweisung usw. hat nie stattgefunden oder wurde nur oberflächlich durchgeführt.
Situationsbedingter Regelverstoß:
Charakteristik:
Ohne den Regelverstoß kann die Tätigkeit bzw. der Arbeitsvorgang nicht zu Ende gebracht werden können.
Mögliche Ursachen:
- Der physische oder psychische Zustand eines Mitarbeiters oder des Teams durch die plötzlich veränderte Situation am Ort des Geschehens.
- Die Betriebsmittel fehlen oder sind nicht geeignet, um auf die ungeplante Situation richtig zu reagieren.
- Einfluss der sich plötzlich ändernden Arbeitsumgebung. Z.B. durch Lärm, Lichtverhältnisse, Luftfeuchtigkeit usw.
- Fehlendes Problem- bzw. Situationsbewusstsein beim Mitarbeiter oder im Mitarbeiterteam.
- Mangelnde Zusammenarbeit im Team oder mit dem Vorgesetzten.
- Mangel an den notwendigen Ressourcen, um mit der Situation fertig zu werden.
- Mangelnde Kommunikation im Team, mit Vorgesetzten, Dritten usw.
- Regelverletzungen, bzw. die Nichteinhaltung von Normen und Richtlinien werden im Unternehmen toleriert.
- Die Gefährdungsbeurteilung wurde nur overflächlich durchgeführt.
- …
Regelverstoß im Interesse des Unternehmens:
Charakteristik:
Der erwartete Nutzen für das Unternehmen ist höher als das mögliche Risiko
Mögliche Ursache:
- Offensichtliche Möglichkeiten, Verschwendung zu vermeiden. Z.B. Zeit, Energie, unnötiger Transport, Kosten, überflüssige Bestände usw.
Regelverstoß im Interesse des Mitarbeiters:
Charakteristik:
Der erwartete Nutzen für Mitarbeiter ist höher als das mögliche Risiko
Mögliche Ursache:
- Die erwartete Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens ist gering. Sichtweise: “Es wird schon nichts passieren!”
- Erwartete Folgen natürlicher Konsequenzen sind gering. Sichtweise: “Es wird schon nicht so schlimm werden!”
Fahrlässiger Regelverstoß des Mitarbeiters:
Charakteristik:
Die (negativen) Konsequenzen für das Unternehmen oder für Dritte werden in Kauf genommen.
Mögliche Ursache:
- Die erwartete Wahrscheinlichkeit des Entdeckens ist gering. Sichtweise: “Es wird schon keiner merken!”
- Die erwartenden Folgen des Entdeckens sind gering. Sichtweise: “Es Folgen nehme ich in Kauf!”
- Die Arbeitsaufgabe wird als unnütz oder unnötig empfunden.
- Frust.
Bliebe jetzt am Schluss einer Untersuchung noch eine Frage übrig:
“Würde ein anderer Mitarbeiter in der gleichen Situation genauso handeln?”
Mit diesem Substitutionstest soll geprüft werden, ob andere Mitarbeiter in der gleichen Situation den gleichen Regelverstoß begangen hätten.
Und ob neben individuellen Gründen auch organisatorische Schwachstellen zum Regelverstoß geführt haben.
Was können Sie tun, um einen Verstoß gegen interne Regeln und Standards zu vermeiden?
Geeignete Vorbeugemaßnahmen
- Vorbildfunktion der Führungskräfte bei der Einhaltung von Regeln
- Regelmäßige Kommunikation über
- Sinn und Zweck der Regeln,
- Risiken für die Mitarbeiter und das Unternehmen,
- Vorteile von sicherem Verhalten,
- Nachteile von sicherheitswidrigem Verhalten
- Festlegung und Kommunikation von unternehmensspezifischen “Lebenswichtigen Regeln”, “rote Linien”, “No-Go´s” usw., deren Überschreitung immer gemeldet und untersucht werden muss, wie z.B.
- Ausführung von Arbeiten nur mit einer gültigen Arbeitserlaubnis, wenn diese vorgeschrieben ist,
- kein Aufenthalt unter schwebenden Lasten,
- keine Benutzung von Smartphones beim Führen von Flurfördererzeugen,
- Durchführung von Höhenarbeiten nur mit Maßnahmen gegen Absturz,
- keine Nutzung von elektrischen Geräten ohne Ex-Schutz in Lackieranlagen,
- .…
- Regelmäßige Überprüfung von internen Regeln, Richtlinien, Gefährdungsbeurteilungen, FMEA´s usw., und Anpassung bei sich ändernden Rahmenbedingungen.
- Weiterentwicklung der Mitarbeiter für die eigenständige Furchführung von strukturierte Problemlösungen.
- Einführung eines Eskalationsprozesses zur Klärung von Zielkonflikten.
- Reaktion der Führungskräfte bei der Meldung von Mängeln und Schwachstellen im System.
- Unterstützung der Mitarbeiter bei der Entwicklung und Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen.
- Berücksichtigung von sicherheitsgerechten Arbeitsweisen in der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung,
- …
Aber auch:
- Arbeitsrechtliche Maßnahmen bei inakzeptablen oder wiederholten Regelverletzungen.
Wenn es Ihnen jetzt noch gelingt, in geeigneter Form auch bei Regelverletzungen in Bagatellfällen oder bei Beinaheunfällen zu reagieren, sind Sie auf dem richtigen Weg. Analog zur Unfallpyramide nach Herbert William Heinrich, gehen viele Regelverletzungen zunächst glimpflich aus. Aber man sollte das Glück nicht herausfordern. Irgendwann kommt es zu Konstellationen, wo ein “kleiner” Fehler bzw. Regelverstoß zur Katastrophe führt.

Wollen Sie mehr über den Umgang mit Fehlern und Regelverletzungen erfahren, schauen Sie sich doch mal die anderen Fachbeiträge auf dieser Webseite an.
Quellen:
https://www.tennet.eu/de/unternehmen/safety-bei-tennet/
Und jetzt bin ich gespannt auf Ihr Feedback
Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit Regelverstößen um?
Haben Sie eine standardisierte Vorgehensweise bei Regelverstößen?
Was könnten andere Unternehmen von Ihnen lernen?
Mit mir arbeiten
Sie haben jetzt den Entschluss gefasst, etwas zur Senkung der Fehlerrate und Fehlerkosten in Ihrem Unternehmen oder in Ihrem Verantwortungsbereich zu tun?
Sie würden aber lieber jemanden an der Seite haben, der sich bereits mit diesen Themen auskennt? Besonders, wie man so etwas in der Praxis umsetzt?
Dann sollten wir uns jetzt einmal austauschen, wie ich Sie bei der Erreichung Ihrer Ziele unterstützen kann.
Am einfachsten wäre es, Sie buchen einen Termin in meinem Terminkalender für ein erstes unverbindliches Gespräch.