Worum geht es bei einer Human Error Root Cause Analysis (HERCA)?
Konventionelle Root Cause Analysen zur Lösung von Problemen werden häufig ( immer noch) mit dem Ziel durchgeführt, die eine Hauptursache zu identifizieren. Und durch das Eliminieren dieser einen Hauptursache mit der einen Verbesserungsmaßnahme hofft man, das Problem ein für alle Mal gelöst zu haben.
Bei technischen Problemen mag diese Vorgehensweise für die Lösung eines Problems geeignet zu sein. Wenn eine Maschine ausfällt, gibt es in der Regel die eine technische Ursache.
Kommt es jedoch zu einem unerwünschten Vorfall, bei dem ein Mitarbeiterfehler mit im Spiel ist, führt diese Vorgehensweise zu einer häufig verwendeten einen Hauptursache “Mitarbeiterfehler!”.
Die Folge: durch “Verbesserungsmaßnahmen” wie “nochmaliges Training”, “Belehrung”, usw. soll das Verhalten des Mitarbeiters verändert werden, damit zukünftig keine Fehler mehr passieren.
Was jedoch häufig ins Leere führt — weil die gleichen Fehler weiterhin gemacht werden. Von anderen Mitarbeitern, die nichts von den “Verbesserungen” mitbekommen haben. Und weil die wahren Ursachen für einen menschlichen Fehler nicht beseitigt wurden.
Das ist mittlerweile Old-School-Root Cause Analyse.
Für die Lösung von Problemen in hochkomplexen Prozessen in Produktion und Dienstleistung, in denen Mitarbeiter Aufgaben erledigen, reicht dieser Ansatz heute nicht mehr aus.
Hier kommt jetzt die HERCA-Methode ins Spiel:
Das Ziel einer HERCA ist nicht nur herauszufinden, warum es zu einem unerwünschten Vorfall gekommen ist. Im Fokus steht die Frage, warum dem Mitarbeiter ein Fehler passiert ist. Warum er in der jeweiligen Situation so und nicht anders gehandelt hat.
Diese Fragen werden in einer “normalen” Root Cause Analyse in der Regel nicht beantwortet.
Die Antworten sind jedoch wichtig, wenn nicht an den Symptomen herumgedoktert werden soll, sondern die wahren Ursachen durch wirksame Verbesserungsmaßnahmen beseitigt werden müssen, damit sich ein Fehler, und damit der unerwünschte Vorfall, nicht wiederholen soll.
Erkenntnisse aus der Unfallforschung in Hochzuverlässigkeitsorganisationen
Die intensive Untersuchung von Unfällen in der Luftfahrt und in Kernkraftwerken hat ergeben, dass zwar Menschen in 80% der Fällen die direkte Ursache für die unerwünschten Vorfälle sind. Es wurde aber auch festgestellt, dass diese menschlichen Fehler die Folge von individuellen Schwächen (Anteil 20%) und Schwachstellen in der Organisation (80%) sind. Diese latente Ursachen für menschliche Fehler werden heutzutage als “Human Factor” bezeichnet.
Das Modell mit den Dominosteinen zeigt anschaulich, wie das menschliche Versagen des letzten Glieds in der Kette verursacht wird: durch die “Verkettung der unglücklichen Umstände”, der latenten Ursachen also.
Das Schweizer-Käse-Modell ist eine weitere populäre Darstellung des Sachverhalts, warum kleinere Probleme sich zu einem großen Problem entwickeln können: wegen des Versagens von verschiedenen Absicherungsmaßnahmen.
Anforderungen an eine zeitgemäße Human Error Root Cause Analysis Methode
Für die Untersuchung bei Arbeitsunfällen, Qualitätsfehlern, Kundenreklamationen, Umweltzwischenfällen, Produktionsstörungen usw., bei denen auch die Ursachen für das menschliche Verhalten mit berücksichtigt werden sollen, gibt es heutzutage zwei Herausforderungen:
- Die “5xWarum?”-Fragetechnik ist nicht mehr die Root Cause Analyse Methode für die Suche nach der einen Hauptursache, sondern der Einstieg in die Ermittlung der verschiedenen Ursache-Wirkungsketten.
- Die klassische Herleitung der Ursachen mit Brainstorming und die Kategorisierung nach Mensch, Maschine, Methode, Messung, Mitwelt mit dem Fischgrätendiagramm macht für die Lösung von chronischen Lösungen Sinn. Bei der Root Cause Analyse von Vorfällen im Zusammenhang mit Mitarbeiterfehlern verleitet diese Vorgehensweise zu leicht zur Festlegung auf die “Hauptursache Mitarbeiterfehler”. Das Fischgrätendiagramm ist auch nicht geeignet, um alle für den Vorfall relevanten Ursache-Wirkungsketten zu visualisieren. Dafür war es auch gar nicht gedacht. Deshalb sollte das Fischgrätendiagramm zur Untersuchungen von Vorfällen durch eine andere Methode, z.B. den Ursachenbaum ersetzt werden.
Das Ergebnis
Durch Eliminierung einzelner latenter Ursachen wir die Fehlerkette wird unterbrochen. Ein kleines Problem oder ein kleiner Fehler kann nicht mehr bis zum “Front End” durchschlagen.
Am Beispiel des Schweizer-Käse-Modell bedeutet das: die Beseitigung von einzelnen Löchern (=latenten Ursachen) verhindert, das kleine Probleme oder Fehler am Ende der Prozesskette in einem größeren Problem oder einer Katastrophe enden. Je mehr Löcher geschlossen werden, um so geringer ist das Risiko für ein Versagen des Systems. Das Ziel einer Root Cause Analyse ist also nicht, die ein “Hauptursache” zu identifizieren und zu eliminieren.
Ziel ist, das Risiko für unerwünschte Ereignisse zu minimieren.